Die Pflegegrade sind ein wichtiges Instrument im deutschen Pflegesystem, das dazu dient, den individuellen Pflegebedarf einer Person zu bestimmen und entsprechende Leistungen zu gewähren. Seit 2017 ersetzen die fünf Pflegegrade die früheren Pflegestufen und bieten eine differenziertere Einschätzung der Pflegebedürftigkeit.
Was sind Pflegegrade?
Pflegegrade werden auf Basis eines umfassenden Begutachtungsverfahrens durch den Medizinischen Dienst (MD) festgelegt. Dieses Verfahren bewertet die Selbstständigkeit und Fähigkeiten in verschiedenen Lebensbereichen. Es gibt fünf Pflegegrade, die den Grad der Beeinträchtigung und den damit verbundenen Pflegebedarf widerspiegeln.
Die fünf Pflegegrade im Überblick
Pflegegrad 1: Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
Voraussetzungen: Pflegegrad 1 wird Personen zuerkannt, die eine geringe Beeinträchtigung ihrer Selbstständigkeit haben. Das bedeutet, dass sie im täglichen Leben noch weitgehend selbstständig sind, aber gelegentlich Hilfe benötigen. Dies entspricht einem Punktescore von 12,5 bis unter 27 im Begutachtungsassessment.
Leistungen:
Pflegegeld: 125 Euro monatlich, zur freien Verfügung, beispielsweise für die Bezahlung von Nachbarn oder Bekannten, die bei alltäglichen Aufgaben helfen.
Entlastungsbetrag: 125 Euro monatlich für Angebote zur Unterstützung im Alltag, wie haushaltsnahe Dienstleistungen oder Betreuungsangebote.
Kurzzeitpflege: Bis zu 1.774 Euro jährlich für vorübergehende stationäre Pflege, zum Beispiel nach einem Krankenhausaufenthalt.
Verhinderungspflege: Bis zu 1.612 Euro jährlich, wenn die reguläre Pflegeperson vorübergehend verhindert ist, beispielsweise durch Urlaub oder Krankheit.
Wohnumfeldverbesserungen: Bis zu 4.000 Euro für Anpassungen im Wohnumfeld, wie den Einbau eines Treppenlifts oder die Verbreiterung von Türen.
Beispiel: Herr Müller ist 75 Jahre alt und lebt allein in seiner Wohnung. Er kommt gut zurecht, benötigt aber manchmal Unterstützung beim Einkaufen und bei der Haushaltsführung. Mit Pflegegrad 1 kann er den Entlastungsbetrag nutzen, um eine Haushaltshilfe zu engagieren.
Pflegegrad 2: Erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
Voraussetzungen: Menschen mit Pflegegrad 2 haben eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Selbstständigkeit und benötigen regelmäßig Unterstützung. Dies entspricht einem Punktescore von 27 bis unter 47,5 im Begutachtungsassessment.
Leistungen:
Pflegegeld: 316 Euro monatlich für pflegende Angehörige oder Freunde.
Pflegesachleistungen: 689 Euro monatlich für professionelle Pflegedienste.
Entlastungsbetrag: 125 Euro monatlich für Unterstützungsangebote im Alltag.
Kurzzeitpflege: Bis zu 1.774 Euro jährlich.
Verhinderungspflege: Bis zu 1.612 Euro jährlich.
Tages- und Nachtpflege: 689 Euro monatlich für teilstationäre Pflege.
Wohnumfeldverbesserungen: Bis zu 4.000 Euro.
Beispiel: Frau Schmidt, 82 Jahre alt, lebt mit ihrem Sohn zusammen. Sie braucht Unterstützung beim An- und Ausziehen sowie bei der Körperpflege. Der Pflegedienst kommt zweimal täglich. Das Pflegegeld ermöglicht ihrem Sohn eine finanzielle Anerkennung für seine Hilfe.
Pflegegrad 3: Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
Voraussetzungen: Bei Pflegegrad 3 liegt eine schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit vor. Betroffene benötigen umfangreiche Hilfe bei der Alltagsbewältigung. Dies entspricht einem Punktescore von 47,5 bis unter 70 im Begutachtungsassessment.
Leistungen:
Pflegegeld: 545 Euro monatlich.
Pflegesachleistungen: 1.298 Euro monatlich.
Entlastungsbetrag: 125 Euro monatlich.
Kurzzeitpflege: Bis zu 1.774 Euro jährlich.
Verhinderungspflege: Bis zu 1.612 Euro jährlich.
Tages- und Nachtpflege: 1.298 Euro monatlich.
Wohnumfeldverbesserungen: Bis zu 4.000 Euro.
Beispiel: Herr Becker, 79 Jahre alt, leidet an fortgeschrittener Demenz. Er benötigt rund um die Uhr Betreuung. Der Pflegedienst unterstützt morgens und abends, die restliche Zeit übernimmt seine Ehefrau. Die Pflegesachleistungen decken die Kosten des Pflegedienstes.
Pflegegrad 4: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
Voraussetzungen: Pflegegrad 4 wird Personen mit schwerster Beeinträchtigung der Selbstständigkeit zuerkannt, die umfangreiche Hilfe in nahezu allen Bereichen des täglichen Lebens benötigen. Dies entspricht einem Punktescore von 70 bis unter 90 im Begutachtungsassessment.
Leistungen:
Pflegegeld: 728 Euro monatlich.
Pflegesachleistungen: 1.612 Euro monatlich.
Entlastungsbetrag: 125 Euro monatlich.
Kurzzeitpflege: Bis zu 1.774 Euro jährlich.
Verhinderungspflege: Bis zu 1.612 Euro jährlich.
Tages- und Nachtpflege: 1.612 Euro monatlich.
Wohnumfeldverbesserungen: Bis zu 4.000 Euro.
Beispiel: Frau Meier, 85 Jahre alt, ist nach einem Schlaganfall stark eingeschränkt. Sie kann nicht mehr alleine gehen und braucht Unterstützung bei der Körperpflege, beim Essen und Trinken. Ein ambulanter Pflegedienst übernimmt die tägliche Pflege, während ihr Sohn die organisatorischen Aufgaben managt.
Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung
Voraussetzungen: Pflegegrad 5 betrifft Personen mit schwerster Beeinträchtigung der Selbstständigkeit und zusätzlichen besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung. Dies entspricht einem Punktescore von 90 bis 100 im Begutachtungsassessment.
Leistungen:
Pflegegeld: 901 Euro monatlich.
Pflegesachleistungen: 1.995 Euro monatlich.
Entlastungsbetrag: 125 Euro monatlich.
Kurzzeitpflege: Bis zu 1.774 Euro jährlich.
Verhinderungspflege: Bis zu 1.612 Euro jährlich.
Tages- und Nachtpflege: 1.995 Euro monatlich.
Wohnumfeldverbesserungen: Bis zu 4.000 Euro.
Beispiel: Herr Weber, 92 Jahre alt, ist nach einem schweren Unfall vollständig auf Hilfe angewiesen. Seine Familie hat die Wohnung barrierefrei umbauen lassen. Ein Pflegedienst kümmert sich um die Rund-um-die-Uhr-Betreuung.
Das Begutachtungsassessment zur Feststellung des Pflegegrads
Das Begutachtungsassessment zur Feststellung des Pflegegrads wird von einem Gutachter des Medizinischen Dienstes (MD) oder einem unabhängigen Gutachter durchgeführt. Ziel ist es, den Grad der Selbstständigkeit einer Person im Alltag zu ermitteln.
Ablauf und Bewertung:
Hausbesuch: Der Gutachter besucht den Pflegebedürftigen zu Hause, um sich ein umfassendes Bild der Pflegesituation zu machen.
Gespräch und Beobachtung: Der Gutachter führt ein ausführliches Gespräch mit dem Pflegebedürftigen und gegebenenfalls den Angehörigen, um Informationen über den Gesundheitszustand, den Alltag und die benötigte Hilfe zu erhalten.
Module: Der Gutachter bewertet verschiedene Module der Selbstständigkeit. Dazu gehören Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen, Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte.
Punktesystem: Jeder Bereich wird anhand eines Punktesystems bewertet. Die Gesamtpunktzahl bestimmt den Pflegegrad.
Module und Bewertung:
Mobilität (10%): Beinhaltet die Fähigkeit sich innerhalb der Wohnung zu bewegen, Treppen zu steigen und die Körperhaltung zu ändern.
Kognitive und kommunikative Fähigkeiten (7,5%): Umfasst das Verstehen und Reden, die Orientierung im Alltag und die Erinnerungsfähigkeit.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (7,5%): Bewertet werden hier Verhaltensauffälligkeiten wie aggressives Verhalten oder ängstliche Zustände.
Selbstversorgung (40%): Beinhaltet die Fähigkeit sich zu waschen, anzukleiden, zu essen und zu trinken.
Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen (20%): Bewertet wird hier, inwieweit der Pflegebedürftige medizinische Hilfe benötigt und ob er selbstständig Medikamente einnehmen kann.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte (15%): Beinhaltet die Fähigkeit den Tagesablauf zu gestalten, Hobbys nachzugehen und soziale Kontakte zu pflegen.
Gesamtbewertung und Pflegegrad:
Pflegegrad 1: 12,5 bis unter 27 Punkte
Pflegegrad 2: 27 bis unter 47,5 Punkte
Pflegegrad 3: 47,5 bis unter 70 Punkte
Pflegegrad 4: 70 bis unter 90 Punkte
Pflegegrad 5: 90 bis 100 Punkte
Dieses systematische Verfahren sorgt dafür, dass die Pflegebedürftigkeit objektiv und nachvollziehbar festgestellt wird.
Fazit
Die Pflegegrade ermöglichen eine bedarfsgerechte Unterstützung und Versorgung pflegebedürftiger Menschen. Durch die Einstufung in einen der fünf Pflegegrade erhalten Betroffene und ihre Angehörigen Zugang zu verschiedenen Leistungen, die die Pflege erleichtern und die Lebensqualität verbessern. Es ist wichtig, sich über die verschiedenen Möglichkeiten zu informieren und die passenden Leistungen zu beantragen, um die bestmögliche Unterstützung zu erhalten.